Was fasziniert Sie an dem Material Stahl?
Mich persönlich fasziniert das Spannungsfeld, welches Stahl zwischen seiner technischen Relevanz, seiner Geschichte und seinen Eigenschaften aufbaut. Es ist aber ebenso die Ursprünglichkeit und der Purismus den Stahl ausstrahlt. Stahl als Legierung aus Eisen und verschiedensten anderen Materialien ist vielfältig. Sowohl in seiner Verwendung als auch in seinen Eigenschaften. Stahl kann elastisch sein aber ebenso hart und spröde. Stahl kann sehr hohe Festigkeiten erreichen und Stahl kann gegen Korrosion ausgerüstet werden. Eisen in Form von Stahl bietet dem Menschen seit mehr als 1000 Jahren die Möglichkeit Werkzeuge zu bauen, die widerstandsfähig und hart sind. Waffen, die die Jagd vereinfachen. Gegenstände, die den Alltag erleichtern. Bauteile, die die Architektur maßgeblich beeinflussen.
Stahl besteht zum größten Teil aus Eisen, einem für den Menschen lebenswichtigen Spurenelement, um Sauerstoff im Blutkreislauf zu binden und zu transportieren. Ein Material also, welches mit dem Menschen auch innerlich verbunden ist. Die meisten Stähle zersetzen sich wieder in den Ausgangsstoff Eisenoxid – auch wenn dies sehr lange dauern kann, ist doch dieser Effekt der Kompostierung organischer Materialen ähnlich. Die Abbauprodukte selbst sind weder für die Natur noch für den Menschen toxisch – im Gegensatz zum Aluminium. Durch die hohen Festigkeiten von Stahl ist Leichtbau möglich, obwohl die Rohdichte von 7,5-8t/m³ sehr hoch ist.
Stahl lässt sich durch Giesen, Schmieden, Kaltverformen über sämtliche spanende Verfahren in die gewünschte Form bringen. Es lässt sich härten aber auch erweichen. Stahl kann magnetisiert werden oder auch entmagnetisiert. Stahl kann mit seinen Eigenschaften, ohne sichtbar zu sein, andere Baustoffe technisch aufwerten, wird es beispielsweise als Bewehrung eingesetzt. Hinzu kommen in neuester Zeit die additiven Verfahren mit Stahl, die ganz neue Formen und Anwendungen zulassen. Eine Besonderheit, die mir an Stahl und dessen Verarbeitung gefällt ist, dass die Verarbeitungsschritte in der Struktur erkennbar sind. D. h. ein Gussteil hat eine andere Struktur als ein gezogener Stahl. Das Walzen und Kanten hinterlässt im Gefüge Spuren sodass z.B. richtungsabhängige Materialeigenschaften entstehen – ähnlich den organischen Materialien, die ihre Heterogenität aus dem Wachstum erhalten. Gut zu sehen ist dies an Damaszener Stählen, bei denen durch handwerkliches Geschick Stahl aufgewertet wird.
Als Designer und Ingenieur ist Stahl für mich das wunderbarste anorganische Material, weil es sich in nahezu jede erdenkliche Form bringen lässt und dennoch am Ende in seine Ursprungsform – dem Eisenoxid- übergeht. Während dieses Prozesses, den wir umgangssprachlich als “Rosten” beschreiben, entstehen einzigartige Strukturen und Oberflächen, die sich ständig verändern. Vielleicht ist es ja die gleiche Schönheit der Vergänglichkeit, wie wir sie bei Blumen sehen?
Nennen Sie uns bitte Ihr Lieblingsprodukt/Lieblingsprojekt aus Stahl?
Meine Lieblingsprodukte aus Stahl sind Maschinen aus der Zeit der Industrialisierung. Das sind Dampfmaschinen und Umformwerkzeuge, Getriebe und Motoren. Hier kommen viele der Ausprägungen von Stahl zum Einsatz Bleche als Verkleidung, Stahlgussteile als tragende Elemente, Werkzeugschneiden aus gehärtetem Stahl, Stahlniete als Verbindungsmittel. All das in eine Form gebracht, die einer anderen Ästhetik folgt als es heute der Fall ist. Die oftmals weich und voluminös geformten Gussteile im Zusammenspiel mit filigranen Pleuelstangen und Stößeln.
Wenn man bedenkt, welche komplexen manchmal auch komplizierten Maschinen aus nahezu einem einzigen Rohstoff gebaut wurden. Es gibt Traktoren aus jener Zeit die zu 95% aus Stahl bestehen. Ich glaube die Perspektive der Sortenreinheit sollte heute durchaus wieder mehr Beachtung finden, um Produkte aber besonders auch die Architektur ökologischer zu gestalten. Nicht selten ist die Materialtrennung hinderlich im Recyclingprozess. Das sehen wir bei Faserverbundwerkstoffen, im Fahrzeugbau und beim Rückbau von Gebäuden.
In Handarbeit gefertigtes Kunstwerk „Bogen“ als Spiegel der Identität des Erzgebirges beruhend auf Bergbau und Natur, sowie der daraus entstandenen Weihnachtstradition.
Was wollten Sie schon immer mit Stahl gestalten?
Da ich ursprünglich aus dem Bereich des Möbelbaus komme, meine heimliche Leidenschaft aber Autos sind, liegt für mich eine Synthese beider Welten nahe. D. h. ich stelle mir schon sehr lange vor Polstermöbel bzw. Sitzmöbel auf Basis einer Stahlblechkonstruktion zu entwickeln und in Serie zu fertigen. Im Gegensatz zu gebräuchlichen Stahlrohrkonstruktionen, bin ich eher tiefgezogenen und punktgeschweißten Blechen – ähnlich einer Karosserie – zugeneigt. Ich bin davon überzeugt, dass damit sehr leichte und dennoch äußerst stabile Unterkonstruktionen erzielt werden können. Die aus dem Karosseriebau bekannten Methoden lassen nahezu jede Form zu, die die Ergonomie erfordert. Mit den bereits angesprochenen Eigenschaften von Stahl, könnten so langlebige, funktional hervorragende und ökologisch verträgliche Polstermöbel geschaffen werden.